Es gibt wohl kaum eine größere Müllschleuder als die privaten Haushalte. Wenn man einmal ganz genau darauf achtet, wie viel Abfall man von einem Einkauf eigentlich nach Hause schleppt, dann kann einem schon etwas anders werden. Klar, kann man die Pappverpackung von Cornflakes, Hähnchenbrust und Co. auch getrost in den Mülleimer im Supermarkt werfen, das ändert aber grundsätzlich nichts an dem Müllproblem in Deutschland.
Jeder Deutsche produziert im Schnitt 614 Kg Müll pro Jahr, damit liegen wir zum Einen zwar sehr weit hinten in der Weltrangliste, zum Anderen liegt der Durchschnitt für ein Industrieland aber bei 483 Kg. Also: wir haben noch Einiges zu bewältigen!
Der Schlüssel nennt sich "Zero Waste" und die Hoffnung auf ein abfallfreies Leben findet immer mehr Sympathisanten. Kleine Läden schießen aus dem Boden und bieten Ware an, die man in wiederverwendbaren Gläsern und Dosen mit nach Hause nehmen kann. Aber das Ziel von Zero Waste ist nicht nur verpackungsfreies Einkaufen, sondern auch ein müllfreies Leben zu Hause. Das heißt selber kochen, einwecken und einfrieren.
Inge Echterhölter hat den Blog "GRüNISH" ins Leben gerufen und vereint Tipps, Tricks und Erfahrungen rund um das Thema Zero Waste. Seit 2008 lebt sie in den USA, erst in New York, dann zog es sie nach San Francisco und seit Beginn des letzten Jahres lebt sie mit ihrer Familie in Hood River in Oregon. Wir durften ein exklusives Interview mit ihr führen und haben sie alles zum Thema Nachhaltigkeit gefragt und mit ihr über ihre Pläne gesprochen, die Zukunft ein wenig grüner zu machen.
The Can Challenge
Wie hat also damals alles angefangen? Inge sagt, sie habe schon viele Lebensstile ausprobiert. Egal ob Vegetarismus, Veganismus oder Raw Food, lange habe sie zwischen diesen und Fertigprodukten gerudert. Gerade Produkte in Dosen seien prinzipiell nicht immer schlecht, wie sie sagt, trotzdem durch Konservierungsstoffe etc. nicht immer gesund und verursachen zudem einen Haufen an Müll. Also nahm sie sich selbst vor, ihre Komfortzone zu verlassen und stellte sich ihrer eigens erfundenen "Can Challenge". Das heißt, beim Kochen zunehmend auf Produkte aus Dosen zu verzichten und lieber selbst die Zutaten herzustellen. Schnell hat Inge gemerkt, dass es möglich und auch gar nicht so schwer ist. Langsam entwickelte sich ein Bewusstsein, dass Inge auch auf andere Lebensbereiche übertrug. Mittlerweile stellt sie sogar Seife, Zahnpaste und Deodorant her!
Inge teilt ihre Erfahrungen nicht nur auf ihrem Blog, sie hat auch die "Zero Waste - Hood River" Bewegung gegründet und trifft sich einmal monatlich mit anderen Interessenten und Aktivisten aus ihrer Stadt. Dort wird dann ausgetauscht, diskutiert und ausprobiert. Außerdem hat Inge das "Zero Waste Bloggers Network" gegründet und vereint die verschiedensten Blogger und Bloggerinnen aus aller Welt!
Was halten die Amerikaner von ihrer Idee?
Seit 2008 lebt Inge nun schon in den Staaten und erst seit ungefähr 2014 sagt sie von sich selbst, sie habe ihren Lifestyle schrittweise in Richtung Nachhaltigkeit geändert. Was haben also ihre amerikanischen Freunde dazu gesagt? Wie haben die Amerikaner allgemein auf ihre Idee reagiert?
Bislang hat Inge nur freundliche und neugierige Reaktionen verspürt. Auch wenn viele Leute erst einmal denken, dass Zero Waste etwas total Unmögliches ist, oder wundern sich, ob es sich nicht vielleicht um etwas anderes handelt. Sobald Inge erklärt, dass es sich tatsächlich darum handelt, keinen Müll zu produzieren, kommen viele Fragen, wie das funktionieren soll. Gerade in Bezug auf Toilettenpapier. Aber nicht nur deswegen kommen viele Menschen ins Zweifeln, die meisten können nicht glauben, dass es etwas an der Gesamtsituation ändern würde und behaupten, solange keine Gesetzesänderungen in Kraft treten, um die Firmen zum Umdenken zu zwingen, würde sich nichts ändern. "Dazu sage ich dann, dass ich nicht darauf warten muss, dass mir die Plastiktüte verboten wird. Da ich weiß, dass jede einzelne Plastiktüte, die ich nicht verwende, gut für die Umwelt ist, bringe ich einfach meine eigenen Taschen mit zum Einkaufen.", so Inge. Das gelte übrigens auch für Strohhalme, Coffee to go und Aufbewahrungsdosen. Die Bilanz des Mülls, den ihre Familie schon reduziert hat, sei beachtlich. Dazu kämen auch noch die vielen Menschen, die sich durch Inges Handeln und ihre Auftritte im Internet inspirieren lassen. "Wenn ich das alles aufzähle, müssen selbst die Zweifler zustimmen, dass doch etwas bewegt werden kann.", erzählt sie.
Ist die USA bereit für Zero Waste?
Zugegeben, vielleicht sind es Vorurteile, wenn ich mich frage, ob ein Land wie die USA wirklich bereit dafür ist, einen grünen, nachhaltigen Lebensstil zu fördern. Immerhin stellt man sich den klassischen Amerikaner als konsumverrückt, Maxi-Packungen verschlingend und Dosen-Cola trinkend vor. In Deutschland dagegen sieht man schon in vielen Großstädten kleine Läden, bei denen man verpackungsfrei einkaufen kann, wir haben ein unglaublich großes Pfand- und Recyclingsystem und auch die Gratis-Plastiktüte verschwindet sichtlich aus den Kassenbereichen. Sind die Amerikaner also bereit für diese Veränderung?
Inge sagt, dass es noch nicht viele Läden gebe, die auf unverpackte Lebensmittel spezialisiert sind. Einige Supermarktketten bieten die Option zwar an, aus großen Spendern sich seine Lebensmittel selbst abzufüllen, aber durch das Fehlen dieser Option scheint Zero Waste für viele Leute noch schier unmöglich. Dabei ist es gar nicht so schwer und für jeden, durch kluge Kaufentscheidungen und freundliches Nachfragen, möglich. "Geht man zum Beispiel in ein mexikanisches Restaurant, kann man nach einem freundlichen Gespräch vielleicht sogar bald schon hausgemachte Tortillas und Chips oder Guacamole verpackungsfrei kaufen. Oder man findet ein nettes mediterranes Geschäft in dem man Käse, Wurst, Tapas, Oliven etc. in mitgebrachte Dosen verpackt bekommt.", erklärt Inge.
``Zero Waste Blogger sind die Vorreiter eines neuen, umweltfreundlicheren Lifestyles.``
Trotz allem gibt Inge zu, dass das Thema noch in den Kinderschuhen steckt. Für viele ist Zero Waste immer noch ein Fremdwort. Aber - sie hat schon viel bewegt. Seit der Gründung des "Zero Waste Bloggers Network" (Mai 2015) sind unzählige neue Blogs entstanden und man sieht, dass das Thema immer populärer wird. Leider, führt sie fort, seien noch nicht so viele Männer auf den Zug aufgesprungen. Inge vermutet, dass 90% aller Zero Waste Blogger Frauen sind.
Gibt es auch kritische Stimmen?
Kritik, sagt Inge, gab es in diesem Sinne noch nie. Es komme zwar oft vor, dass sie betone, auf Wegwerfartikel verzichten zu wollen, aber die Kellner und Verkäufer das Prinzip nicht verstehen, oder einfach nicht anders handeln können. Inge erzählte von einem Café bei ihr im Ort, in der sie jedes Mal eine ganze Liste von Dingen aufzählt, die sie nicht haben möchte: Zahnstocher, Papierservietten, Strohhalm und so weiter. Am Ende lande eigentlich immer ein kleines Tuch oder Papier aus Anstand auf ihrem Teller. Trotzdem versuche sie es sich nicht anmerken zu lassen und versuche es immer wieder mit anderen Worten, um vielleicht irgendwann einen Durchbruch zu erzielen. Meist seien die Mitarbeiter in amerikanischen Geschäften immer freundlich und zuvorkommend und darauf bedacht, ihren Kunden alle Wünsche zu erfüllen. Hauptsächlich habe Inge positive Erfahrungen gemacht.
Wie geht es nun weiter?
Seitdem Inge angefangen hat ihren Lebensstil zu ändern, sprudelt sie nur so über vor neuen Ideen. Momentan arbeitet sie an einer großen Sache für Beginner von Zero Waste, was damit genau gemeint ist, das ist noch streng geheim! Außerdem möchte sie die Gruppe der "Zero Waste Hood River" noch weiter ausbauen und bei dem Projekt des "Zero Waste Bloggers Network" stehen noch viele Überraschungen an.
Man merkt, Inge lebt und liebt ihren Lifestyle. Sie möchte etwas verändern, die Welt ein wenig schöner machen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen an andere Menschen weitergeben. Nebenbei zieht Inge zwei kleine, unglaublich niedliche Kinder groß und wenn man auf ihrem Blog surft, dann sieht man, die kleinen sind auch schon völlig drin in dem Thema und gehen ihrer Mama eifrig zur Hand.
Super, denn die Kleinen können es an ihre Generation weitergeben und diese an die nächste und, und, und .... "sorry muss los, Baby ruft.", sagt sie. Und wir sagen: Weiter so, Inge!