Warum wir eine beste Freundin brauchen

Sie ist diejenige, mit der du jede Szene aus „Der König der Löwen“ zitierst, die deine Sätze beendet und die jede peinliche Anekdote aus deinem Leben kennt. Aber beste Freunde sind noch mehr als ein menschlicher Memory Stick deiner bisherigen Erfahrungen.

Mit deiner besseren Hälfte gehst du durch Dick und Dünn ©iStock

Neulich in einer Bar saßen am Nebentisch ein junges Mädchen mit einem Typ, beide Anfang 20 (wenn überhaupt), und quälten sich 90 Minuten lang durch ihr Date, was man vor allem daran merkte, dass sie jede Plattitüde der Welt in ihrer Unterhaltung verwendeten. Im Grunde genommen bestand die Unterhaltung zu 90 % aus leeren Worthülsen, die sie sich wie Ping Pong Bälle zuspielten. Freilich ohne Ballverlust, man will ja nicht anecken – schon gar nicht beim ersten Date.

Sie redete ihm also immer schön nach dem Mund, er grinste und nickte immerzu, geredet haben beide, wirklich gesagt hat keiner was. Ich hätte die Zwei eigentlich gar nicht so sehr wahrgenommen, hätte das Mädchen nicht irgendwann einen Satz gesagt, der sich mir ins Gedächtnis eingebrannt hat: „Ich verstehe mich sowieso besser mit Männern als mit Frauen“. Ich musste grinsen. Weil Aussagen wie diese sind für mich die Manifestation von Unsicherheit und Angst vor dem eigenen Geschlecht. Warum? Weil Frauen nämlich ganz wunderbar sind, wenn man sich erstmal auf sie einlässt - und ja, man versteht sich vielleicht nur dann nicht mit ihnen, wenn man etwas zu verbergen hat. Oder wenn man jemand ist, der sich nur durch extrem affektiertes Verhalten in einem zwischenmenschlichen Schlagabtauscht behaupten kann.

Frauen durchschauen nämlich alles. Vorausgesetzt, sie wollen es durchschauen und haben keine besonderen Gründe, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen (weil wenn wir ganz ehrlich sind, lügen wir uns ja schon manchmal in die eigene Tasche). In wahren Freundschaften sind wir aber meistens absolut ehrlich, und genau wegen dieser Fähigkeit zur schonungslosen Demaskierung sollten wir die Frau als Freundin lieben und schätzen. Mit ihr kannst du an Sonntagen händchenhaltend durch den Zoo schlendern und bei jedem süßen Tierbaby vor Entzücken kreischen, wie damals, als du noch ein kleines Kind warst. Mit ihr kannst du pizzaessend auf dem Sofa sitzen und du wirst dich wie zuhause fühlen. Sie ist diejenige, die genau merkt, wenn das, was dein Mund sagt, nicht das ist, was deine Augen sagen. Sie wird dich durchschauen – und das ist gut so: Denn eine wahre Frauenfreundschaft ist absolut immun gegen jede Art der Selbstinszenierung.

Eine beste Freundin ist Gold wert ©Sinah Edhofer

Diese Angst vor Frauen (oder nennen wir es: Den Glauben daran, dass Männer ausnahmslos die besseren Freunde und treueren Begleiter sind) kann man sich also so erklären, dass sich Frauen oft davor fürchten, von anderen Frauen durchschaut zu werden. Allerdings sollte man bedenken, dass die eigene Persönlichkeit und Meinung nur dann gefestigt werden kann, wenn sie von Zeit zu Zeit hinterfragt wird. Es geht natürlich nicht darum, dass deine beste Freundin dir laufend das Gefühl geben soll, deine Meinung wäre weniger wert oder dass du dich anders verhalten sollst. Aber in einer Zeit, wo sich jeder durch Likes und Kommentare seine gelegentliche Dosis Ego-Boost abholen kann, ist die ungeschminkte Wahrheit von einem Menschen, der dich mitsamt deiner ganzen Komplexität, deinen Widersprüchlichkeiten und deiner Craziness mag, Gold wert.

Je ehrlicher eine Frau zu dir ist, desto mehr hält sie von dir: Sie hält dich für kritikfähig und weiß, dass euer Verhältnis nicht gleich angeschlagen sein wird, wenn jemand von euch beiden ehrlich seine Meinung äußert. Sie sagt dir, was du wissen musst und nicht nur das, was du gerade hören willst. Und genau das brauchen wir: Das Gefühl, dass wir uns auf jemanden verlassen können, den wir als gleich stark erachten. Von einer Frau auf Augenhöhe akzeptiert zu werden, ist das schönste Geschenk und größte Kompliment, das sie dir machen kann.

geschrieben am 15.02.2016
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