Ehrgeiz loslassen: Der eine Satz, der mir half mich endlich zu entspannen

Lass los... auch wenn sich dein Leben um eine Woche verschiebt.

Seit Tagen renoviere ich mein Zimmer. Rundum neue Möbel sollten her und selbst lasieren wollte ich sie auch. Ursprünglich dachte ich ja, das ist an einem Tag erledigt - bis daraus sechs Tage wurden. Und ich bin immer noch nicht ganz fertig, aber es sieht schon sehr schön aus und ich fühle mich um einiges wohler! Außerdem stand zwischendurch ein Wochenende Berlin mit meinem Freund an, der Laptop sollte mal zu Hause bleiben, denn schließlich habe ich ja Urlaub. Habe ich schon erwähnt, dass ich jeden Morgen ausgeschlafen habe?

Hört sich alles schön an, oder? War es eigentlich auch. Wenn da nicht dieser Sturm in mir getobt hätte. Ich kannte ihn schon allzu gut.

Darf ich vorstellen: Der Ehrgeiz

Er sorgte dafür, dass die stetig länger werdende To-Do-Liste in meinem Kopf immer präsent blieb. Er sorgte dafür, dass mich all meine noch offenen Projekte, Ideen und Träume verhöhnten. Er sorgte dafür, dass ich meine Katze um ihre verdammte Ruhe beneidete, mit der sie von der Couch zum Platz in der Sonne streunte, nur um es sich dort noch gemütlicher zu machen. Und er sorgte für das Gefühl, dass ich einen Fehler mache, dass ich faul bin, dass ich nicht genug bin.

Denn schließlich sind die anderen gerade fleißig und stehen jeden Morgen um 5 Uhr auf, um erst mal eine Stunde Yoga zu praktizieren und sich ihren Green Smoothie zuzubereiten, bevor sie sich dann an die Arbeit machen und um 12 Uhr schon das Wichtigste erledigt haben. Schließlich hat meine Mutter mir schon immer eingetrichtert, dass Ehrgeiz eine Tugend ist und ist genau deswegen auch stolz auf mich. Schließlich, gibt es wichtigeres als die Seele baumeln lassen:

Möglichst schnell weiterkommen, denn das Hier und Jetzt ist nicht genug!

Egal was du machst, ob du selbstständige Yogalehrerin und Bloggerin bist, wie ich, oder Hausfrau und Mutter von zwei süßen Kindern; ob du dich in deinem sicheren Angestelltenjob hocharbeiten möchtest oder keine Ahnung hast, was du mit deinem Leben anfangen sollst, und deshalb durchdrehst:

Du kennst das Gefühl doch auch, oder? Das Gefühl des schlechten Gewissens. Das Gefühl nicht früh genug aufzustehen, nicht genug zu schaffen, zu faul zu sein. Das Gefühl, dass du das Leben und die Möglichkeiten verpasst - und die Angst am Ende nicht genug zu sein, damit dir ein glückliches Leben vergönnt ist.

Die Gegenspieler des Ehrgeizes: Loslassen & Vertrauen

Während mir mein Ehrgeiz Stress bereitete, half mir ein Post von Franziska auf Instagram (@franziska_fvckluckygohappy). Sie ist selbst Bloggerin, Kundalini-Yogalehrerin & Lifecoach. Sie gehört zu denen, die immer aktiv scheinen und mit denen ich mich lieber nicht vergleiche, wenn ich mich gerade selbst bemitleide. Der Post war ein Foto von ihr, mit Grippe flach liegend und Tee trinkend berichtete sie von einer ähnlichen Misere (ich bin also doch nicht allein), bloß dass sie einen anderen Blickwinkel darauf hatte.

Sie schrieb:

``Welcher Mensch braucht eigentlich Grippe? Ich hatte gerade sechs Tage Zeit darüber nachzudenken, da ich mit einer flach lag. Immer wieder wollte ich mich aufbäumen und wenigstens etwas ``produktives`` lesen. Am Ende musste ich sogar meine geliebten Soul Sessions absagen. Und da habe ich es kapiert: LOSLASSEN, entspannen, alle Ängste die hochkommen fühlen und in das Leben vertrauen, dass alles in perfekter Ordnung ist, auch wenn sich mein Leben um eine Woche verschriebt.``

Loslassen... auch wenn sich mein Leben um eine Woche verschiebt.

Ich erkenne, dass Ehrgeiz der kleine Bruder der Existensangst ist. Und Angst füttern war noch nie eine gute Idee. Der Tag, die Woche, die unproduktive Zeit ist nicht verschwunden und nicht verschwendet, sondern aufgeschoben. Das ist ein Unterschied! Ich habe keine Chancen verpasst und erst recht nicht "mein Leben nicht gelebt". Ich steige bloß ab und zu mal aus dem nie stoppenden Produktivitäts-Karussell aus, weil mein Körper oder meine Seele dringend Pausen brauchen um weiter so toll zu funktionieren.

Und wenn ich die Angst nicht weiter füttere, sondern den Zustand der Pause zulassen und genießen lerne, dann führt genau dieses Aussteigen dazu, dass ich mir die lustige Fahrt mit etwas Abstand anschauen und sehen kann, wie schön das Karussell eigentlich ist, wie viel Freude die Mitfahrenden an ihren Erlebnissen haben und dass ich nicht die einzige bin, die ab und zu mal aussteigt um zuzuschauen. Dann kann ich mit viel mehr Freude und Energie wieder einsteigen und weitermachen. Ganz genau dort wo ich aufgehört habe, bloß um eine mickrige Woche verschoben.

Wenn sich meine Katze das nächste Mal die Sonne auf den Pelz scheinen lässt, beneide ich sie nicht mehr um ihre Ruhe und Eleganz, sondern ich werde es ihr gleich tun. Denn was sie ganz genau weiß, ist:

Hier und Jetzt ist genug!

Autorin: Bettina Janssens, www.ohmyyogi.de

geschrieben am 05.04.2016
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